Anna N.
"Wir lebten in Wolgograd und die endgültige Entscheidung, Russland für immer zu verlassen, fiel, als Navalny im Jahr 2021 ins Gefängnis kam. Wir hatten uns ein ganzes Jahr lang darauf vorbereitet, in die USA auszuwandern und in diesem Moment, als wir schon so konkrete Vorbereitungen getroffen hatten, begann der Krieg, und all unsere Pläne und Träume zerschlugen sich. Aber es war uns klar, dass wir definitiv nicht in diesem Land bleiben würden, und plötzlich wurde es dringend… Wir verkauften unser Auto und schafften es, Tickets zu kaufen, ließen einfach alles stehen und liegen und gingen weg, mit zwei Koffern und zwei Kindern."
Nina P.
"Ich hatte Pläne, ich hatte meine Vorstellungen und Ideen, wollte mich entwickeln. Aber jetzt lebe ich in der Schwebe. Ich weiß nicht, was ich jetzt machen kann. Die Menschen haben keine Träume mehr. Die Ideen und Träume sind verloren. Wir leben nur im Heute.
Ich bin 39 Jahre alt und fühle mich so, als ob mein Leben schon beendet ist."
"Jede Aufnahme und jede Äußerung erzählt von einem anderen Schicksal, von einem anderen Ort, anderen Gegebenheiten, anderen Umständen. Wir schauen in diese Gesichter, die uns eindringlich anblicken, müde, ernst, fragend, aber auch entschlossen, abwartend, erwartend. Und plötzlich kommen uns die Personen im Bild ganz nah. Genau in solchen Momenten liegt jene einfühlsame emphatische Art, die Gaudlitz‘ Arbeit so besonders macht. Indem er seinem Gegenüber mit Vertrauen begegnet, schafft er eine Situation, die den Porträtierten uneingeschränkte Aufmerksamkeit vermittelt" – schreibt die Berliner Kunsthstorikerin Franziska Schmidt zu den Bildern von Frank Gaudlitz.
„Der Mensch in seiner Einmaligkeit, seinem Geworfensein in Zeit und Gesellschaft“ so Gaudlitz selbst, ist stets sein Anspruch gewesen. „Mir geht es um das Selbstbild der Person, welches ich in der Fotografie zu bewahren versuche, nicht um dessen Inszenierung“
Die Porträtfotos von Geflüchteten und die Innenaufnahmen ihrer Unterkünfte, ergänzt durch Zitate aus den Interviews, werden in einer Ausstellung präsentiert. Zur Ausstellung erscheint 2024 ein Begleitpublikation.
Um die Sicherheit der abgebildeten und interviewten Menschen zu gewährleisten, stammen die Fluchtberichte nicht von den fotografierten Personen.
Mehr Fotos und Geschichten im Blog: Grenzland zwischen Krieg und Frieden
Eine Kooperation mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa
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